Aus LIEBE ZUR KÖNIGIN – was und wer steht hinter der Orgel?

Ob bei Firmung oder Hochzeit, Erstkommunion oder Osternachtsmesse – der mächtige Klang der Kirchenorgel ist als Element der katholischen und protestantischen Liturgie für viele Menschen nicht wegzudenken.

18.05.2022 | in Musikinstrumentenerzeuger

Sie umrahmt feierlich den Einzug, begleitet den Volksgesang und entlässt beim Auszug die Gläubigen in einer Stimmung feierlicher Andacht. „Die Pfeifenorgel soll in der lateinischen Kirche als traditionelles Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden; denn ihr Klang vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben“, heißt es in der Liturgiekonstitution über die Hl. Liturgie im sechsten Kapitel des Sacrosanctum Concilium.

Wie die Kirche zur Orgel kam

Heute ist das Orgelspiel für die meisten Menschen untrennbar mit der christlichen Kirche verbunden. Dabei lehnten die frühen Christen das Instrument kategorisch ab – und man kann es ihnen beileibe nicht verdenken: Die Erfindung der alten Griechen diente als Signalinstrument und wurde im Rom der frühen Christen unter anderem dazu eingesetzt,  zum Gaudium des Volkes in der Arena das Spektakel zu untermalen, wenn verfolgte Christen den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen wurden.

Dies änderte sich naturgemäß, als die römischen Kaiser sowohl das Christentum als auch die Orgel für sich entdeckten. Spätestens im Mittelalter zogen die majestätischen Instrumente in die neu entstehenden Kathedralen ein und wurden integraler Bestandteil der Kirchenmusik.

Wechselten sich anfänglich noch gregorianische Choräle, vorgetragen ohne instrumentale Begleitung, mit Solostücken für die Orgel ab, entstanden schon ab dem 16. Jahrhundert ganze Messen, die die Ausdruckskraft und klangliche Vielseitigkeit der Orgel mit Chorgesang kombinierten.

„In der katholischen Kirche ist der Volksgesang erst seit den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts fester Bestandteil der Liturgie“, weiß Pater Elias Markus Kraxner, Priester im Stift Vorau.

Vorau als Orgel-Mekka?

„Die Orgel ist kein Prestigeobjekt, sondern das, was das Wort Orgel (griech. organon = Werkzeug) im ursprünglichen Sinn bedeutet: Sie ist ein Werkzeug, mit dessen Hilfe „die andere Welt“ angedeutet werden kann, mit dem Gläubige zu Gott geführt werden können. Die Orgel ist eine Helferin, den Glauben weiter in die Zukunft zu tragen. Sie ist eine Dienerin der Liturgie, aber nicht nur ein sakrales Instrument“, erklärt er.

Die Frage, ob er vor wenigen Jahren bei seinem Eintritt das Stift der Augustiner Chorherren allein der schönen Orgel wegen gewählt hat, verneint er lachend: „Aber wenn ich schon das Glück habe, eine dermaßen wunderbare Orgel bei uns im Stift zu haben, dann will ich das auch für möglichst viele Menschen erlebbar machen.“

Das Resultat sind regelmäßig stattfindende Orgelkonzerte, bei denen die Besucher*innen auf einer Videoleinwand das Orgelspiel hochtalentierter Organist*innen aus ganz Europa mit allen Sinnen erfassen können.

Für das nächste Konzert in der Stiftskirche konnte mit Olivier Latry ein vielgefragter Künstler gewonnen werden. Für den 19. September sind noch einige wenige Karten erhältlich.

Orgelbau – Beruf oder Berufung?

Auf dem Schulweg ist es passiert. Der führte Christian Hartinger nämlich an der Kirche vorbei. Und die bekam eine Orgel. Der Bub war fasziniert – eine Faszination, die bis heute anhält.

„Beim Beruf des Orgelbauers gehen Vorstellung und Wirklichkeit vielfach fast diametral auseinander“, weiß der erfahrene Orgelbaumeister mit Sitz in Graz. „Alle sehen immer nur die weißen Handschuhe und das vorsichtige Stimmen der Orgelpfeifen. Dabei ist unser Beruf so viel mehr! Orgelbau ist gleichzeitig Schwerstarbeit und Feinstarbeit, vor allem wenn es um die Klanggestaltung geht. Du musst Künstler und versierter Handwerker in Personalunion sein“, berichtet Hartinger.

Ein wichtiger Teil der Arbeit ist auch die umfassende Reinigung alter Orgeln. Wer schon einmal einen Kasten nach Jahren von der Wand weggeschoben hat, kann sich ausmalen, wieviel Staub sich in Jahrzehnten im Inneren eines solchen Instrumentes ansammelt. Und nicht nur Staub: Von Fledermäusen über tote Tauben bis hin zu Mäusen, Mardern und ganzen Horden von Spinnen findet man dort so ziemlich alles, wie der Meister erzählt.

Aber: „Es ist ein unglaublich faszinierender und spannender Beruf. Schließlich ist jede Orgel anders, jedes Instrument ein Unikat. Das macht auch den Reiz unserer Tätigkeit aus“, kann er sich auch nach über 20 Jahren der Selbständigkeit noch für seine Kerntätigkeit begeistern. Mit seinem mobilen Orgelstudio stellt er von Notreparaturen über fachgerechte Reinigung und Wartung bis hin zu Sanierungen und umfangreichen Restaurierungen sein Können in den Dienst der Königin der Instrumente.

http://www.orgelstudio.com/

Orgelbau im Wandel

„Wissen Sie überhaupt, warum man die Orgel die Königin der Instrumente nennt“, fragt mich Thomas Sauerzapf, der nach langen Jahren als Orgelbauer in Deutschland nun Knittelfeld zu seiner neuen Heimat erkoren hat. Nein, ich weiß es nicht, muss ich einräumen. „Welches andere Instrument erlaubt es einem einzigen Menschen, gleichzeitig bis zu 200 Instrumente erklingen zu lassen?“ Der Stolz auf die Einzigartigkeit der Orgel ist ihm selbst am Telefon deutlich anzumerken.

Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Begeistert berichtet er von Pfeifen verschiedenster Bauart. Von solchen mit runden Löchern und anderen, die quer angesprochen werden. Von Wiener Flöten, die einen besonders weichen Klang haben, obwohl sie ursprünglich im Böhmischen Prater in Wien zum Einsatz kamen, um die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich und die Attraktionen zu ziehen. Als völlige Novizin in Sachen Orgel hat man bisweilen Mühe, ihm zu folgen. Mitreißend ist seine leidenschaftliche Begeisterung allemal.

Berührungsängste mit moderner Technik hat er keine, auch wenn er in einem solch traditionsreichen Beruf erfolgreich ist. „In Malmö hat das deutsche Orgelbauunternehmen Klais eine Orgel installiert, die über zwei große Touch Screens gesteuert wird. An dem Projekt durfte ich mitwirken. Das war einmal ganz etwas anderes“, erzählt er.

Zum Orgelbau kam er, weil zwei Herzen, ach, in seiner Brust schlugen. Einerseits wollte er etwas mit Musik machen. Andererseits brannte er für die Holzbearbeitung. Also wollte er einen Beruf erlernen, in dem er beide Leidenschaften leben konnte. „Bub, du spinnst. So etwas gibt es nicht“, war die lapidare Diagnose der Eltern, die sich als unrichtig erweisen sollte.

Mangelnde Ambition kann man ihm jedenfalls nicht vorwerfen: Er baute eine meisterhafte, voll funktionsfähige kleine Truhenorgel mit vier Registern. „Die passt in jedes Wohnzimmer, füllt aber klanglich jeden Dom“, so Sauerzapf. Das Instrument besticht mit einem besonders weichen und lieblichen Klang und steht aktuell für 38.500,- Euro zum Verkauf.

thomas.sauerzapf@gmx.de

Quo vadis, Orgelbau?

„Als ich begonnen habe, gab es in Österreich 44 Orgelbauer*innen. Heute sind es gerade noch einmal zehn“, fasst Christian Hartinger die Entwicklung der letzten Jahre zusammen. Der Grund? Einerseits ist der Beruf einer, der viele und lange Reisen beinhaltet. „Das ist kein familienfreundlicher Beruf, wenn du mehr als die Hälfte des Jahres unterwegs bist“, sind sich Sauerzapf und Hartinger einig.

Ein weiterer Grund liegt in der Entwicklung, die der Markt in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Die Internationalität in der Branche eröffnet steirischen Orgelbauern zwar einerseits die Möglichkeit, europaweit an Projekten wie dem in Malmö mitzuwirken. Andererseits setzt sie die heimischen Meister aber auch dem Druck der Konkurrenz aus Nachbarländern aus, die vielfach zu Preisen arbeiten, die ein österreichischer Meisterbetrieb wirtschaftlich nicht verantworten kann.

„Früher wurde man in eine Pfarre gerufen, der Pfarrer hat um einen Kostenvoranschlag gebeten, und wenn der für die Pfarre gepasst hat, dann wurde man beauftragt“, erinnert sich Christian Hartinger. Heute schreibt er in nächtelanger Arbeit detaillierte Kostenvoranschläge für Projekte, die – wenn überhaupt – erst Jahre später zur Umsetzung kommen.

Sowohl Thomas Sauerzapf als auch Christian Hartinger verfolgen gemeinsam mit einer Handvoll anderer Orgelbauer im deutschsprachigen Raum einen deutlich kollegialeren Ansatz, als dies traditionell üblich war: Um auch größere Projekte kompetent und zügig umsetzen zu können, hilft man einander aus.

„Ich weiß um die Stärken meiner Kollegen, dadurch kann ich mir das bestmögliche Team für einen Auftrag zusammenstellen. Dann schrauben schon einmal drei Meister an einem Instrument. Bei welcher Firma könnte man sich so ein Team leisten? Das bekommen Sie nur bei uns“, unterstreicht Christian Hartinger.

Wenn die gute Fee käme, und ihnen den Job ihrer Träume böte – welcher wäre das? Die Antwort der beiden unterscheidet sich allein in der Formulierung: „Orgelbauer – ich würde nichts anderes lieber sein wollen. Aber bei den Rahmenbedingungen, da fielen mir schon ein paar Dinge ein, die ich mir wünsche.“ (Thomas Sauerzapf)
 

Kunsthandwerker bei der Arbeit
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